
Endlich schickt die Sonne ihre Strahlen geradewegs durch die schmutzigen Fenster auf meinen Lieblingsplatz und weckt meine Hausfraueninstinkte. „Eigentlich müsste man mal wieder Fenster putzen. Eigentlich“, murmel ich vor mich hin. Damit ist das Thema auch schon wieder ad acta gelegt. Denn wer ist man? Man, im Sinne von jemand oder jedermann, ist Unsinn, denn es gibt nur einen Mann in meiner Kleinfamilie, jedoch die Fensterputzerin bin ich. Bin’s immer schon gewesen, denn ich putze nicht ungern. Aber nur dann, wenn ich Lust dazu habe, mich nicht aufraffen muss, weil irgendein imaginärer Befehlsgeber, der auch schlechtes Gewissen, Pflichtbewusstsein oder Vernunft genannt werden kann, mich dazu auffordert. Und was heißt überhaupt das Wort „eigentlich“? Es ist völlig unnütz, ohne jede Bedeutung und assoziiert doch sofort einen negativ besetzten Konjunktiv. Ich will doch gar nicht zum Fensterputz-Equipment greifen, denn die nächsten dunklen Wolken sind schon in Sicht.

Beim Nachdenken über meine unsinnige Formulierung aus der Umgangssprache begegnet mir mein innerer Schweinehund, der mich mein Leben lang begleitet und ungemein unbequem und nervend sein kann. Aber das geht zum Glück nicht nur mir so. Nein, ein Kuscheltier ist er wahrlich nicht, sondern als Symbol der menschlichen Willensschwäche sollte er bekämpft, besiegt, niedergerungen werden, damit sein Besitzer stolz und aufrecht guten Gewissens durchs Leben gehen kann. Aber sollten wir uns im Alter nicht allmählich von ihm trennen können und ihm einen Platz in irgendeinem Gnadenhof besorgen? Es wäre doch so gemütlich und bequem ohne ihn in unserer gewohnten Komfortzone, wo alles so ist, wie wie wir es schon seit Ewigkeiten kennen. Niemand will etwas Neues von uns, keiner stellt Forderungen und will uns auf unbekannte Wege führen. Vielleicht noch Englischvokabeln pauken? Neue Menschen und Gegenden kennenlernen? In meinem Alter?
Doch! Gerade jetzt. Behalten wir unseren Schweinehund, zähmen wir ihn und erkunden Neues. Garantiert werden wir belohnt mit Glücksgefühlen und Freude.