
Der Beschluss war schnell gefasst: Unser Labrador wird in den Vorruhestand versetzt und in vier Wochen, wenn er seinen elften Geburtstag feiert, geht’s in Rente. Wir zwangen ihn sozusagen zu seinem Glück. Was war passiert? Er hatte offensichtlich Schmerzen, schlich durch die Gegend mit gekrümmtem Rücken, wusste nicht, wie er liegen oder stehen sollte, aber kein Jammern oder Jaulen war zu hören. Er litt eben wie ein Hund – und wir mit ihm. Ab zur Tierklinik. Röntgenaufnahmen zeigten das Malheur: Die Wirbelsäule im Nackenbereich war lädiert. Unser Hund hatte einen Bandscheibenvorfall. Wir begriffen, Blacky hatte sich durch Schwerstarbeit seinen Rücken ruiniert.
Ein Hund und Schwerstarbeit? Dazu muss man wissen, ein Labrador ist ein Arbeitshund und braucht eine für ihn sinnvolle Tätigkeit. Gerade dem Welpenalter entwachsen, bewies er uns seine Leidenschaft für Holz. Kein Ball, keine Frisbee-Scheibe reizten ihn so wie Holz. Stöcke und Äste, die er bearbeiten und nach Hause schleppen konnte, dazu unser Lob – das brauchte er zu zu seinem Hundeglück. Mit den Jahren wurde er zum Kenner von Holzarten und ihren Verwendungsmöglichkeiten. Totholz ignorierte er, Birken und borkenloses Holz ebenfalls. Seine Liebe galt frisch abgefallenen Eichenästen, die er entrindete, zerkleinerte und zu undefinierbaren Holzfasern zerbiss. Sorgen machten wir uns um seine Zähne. Unnötig, wie wir jetzt wissen. An seine Halswirbelsäule dachten wir nicht.

Er zerrte und biss, schleppte die Äste aus Büschen und Unterholz zu seiner Arbeitsstelle, schmiss sie geschickt durch die Luft, stellte sich mit den Vorderpfoten auf das Werkstück – und dann begann die Zerkleinerung. Diese Arbeit übte er natürlich auch aus, wenn es geschneit hatte und er sein geliebtes oft vereistes Holz erst unter der Schneedecke aufspüren und freischaufeln musste. Immer aber hatte er ein unzerkleinertes Reservestück übrig, das er wie ein Zirkushund nach Hause trug. Das waren in der Regel mehrere hundert Meter. Parkende Autos wurden geschickt umgangen, beifällige Bemerkungen von Zweibeinern selbstbewusst entgegengenommen, nur beim schmalen Gartentor gestattete er meine Hilfe. Auf dem Rasen wurden seine Schätze zwischengelagert und je nach Bedarf weiterverarbeitet – oder von uns bis zur Entsorgung aufbewahrt.
Die endgültige Entsorgung geschah dann auf fröhliche Weise mit einem guten Rotwein und unseren Nachbarn bei so genannten Brauchtums-Feuern. Nur Blacky war nicht dabei.
Seine zweite Karriere als ehrenamtlicher Wach-, Schutz- und Begleithund hat er dann leider nicht mehr lange ausüben können.