Ganz schön alt – alt sein ist schön

Wer das wirklich denkt, der muss ja wohl total verrückt sein. Denken Sie das nicht gerade? Verrückt bin ich nun wirklich nicht, obwohl ich verrückte Gedanken liebe . Versuchen Sie mal, vertraute Dinge, Menschen oder auch Probleme aus einer anderen Perspektive zu sehen, sich und sie also zu verrücken. Sie kennen das : Möbel wurden an einen anderen Standort verschoben. Alles sieht ungewohnt, neu aus. Es gefällt Ihnen – oder auch nicht. Wer ein bisschen verrückt ist, gilt in unserem Sprachgebrauch als unangepasst. Er „läuft nicht ganz rund“ oder „hat einen Sprung in der Schüssel“, wird als „verrücktes Huhn“ belächelt und schlimmstenfalls ausgegrenzt. Ich halte das Verrücken von Denkmustern nicht nur für ein interessantes Experiment, sondern für eine Notwendigkeit. Wie wollen wir sonst andere Menschen oder politische und gesellschaftliche Probleme verstehen und beurteilen ohne uns von Vordenkern leiten zu lassen und verschiedene Sichtweisen zuzulassen. Betrachten Sie doch mal eine Geschichte, die Sie lesen oder hören, aus einer anderen Perspektive. Nicht eine unglückliche Ehefrau und Mutter erzählt über ihre Familienprobleme, sondern die pubertierende Tochter oder der gestresste Ehemann oder die beste Freundin der Familie. Und wenn Sie Ihre Lebenserfahrungen dabei einbringen, werden Sie kluge Ratschläge und Meinungen entwickeln können. Und kluge Menschen brauchen wir. Denn der Schlaue sucht oft mit Ellenbogen-Einsatz seinen Vorteil. Der Intelligente kann Strukturen und Systeme erklären. Ich aber mag den klugen antiken Philosophen Sokrates, der trotz der Attacken seiner Frau Xanthippe seine Athener Mitbürger lehrte: miteinander reden, zuhören, kritisch hinterfragen, Erfahrungen einbeziehen und so zu Urteilen gelangen. Dass er dadurch unbequem wurde und wegen „Verführung der Jugend“ den Giftbecher trinken musste, wird uns heute nicht passieren.

Ich genieße das Alter, den „Ruhestand“, der mir Zeit und Muße schenkt. Und ich bin glücklich, dass ich diesen Lebensabschnitt bei bester körperlicher und geistiger Gesundheit erleben darf. Da ich mit Brecht übereinstimme, der seinen Arturo Ui sagen lässt, das Denken gehöre zu den größten Vergnügungen der menschlichen Rasse, möchte ich in meinem Blog Mitdenker ansprechen, die auch gerne widersprechen sollten, wenn meine Gedanken zu weit verrückt wurden. Mein großes Thema: Endlich Rentner – und was nun? Und das ist wahrlich ein weites Feld mit vielen Stolpersteinen. Denn gestern waren wir noch in den „besten Jahren“ und heute sind wir alt? Nein, so funktioniert das nicht. Und gibt es nicht viele von der Lebenszeit her junge Menschen, die vom Denken und Anspruchsniveau her bereits uralt sind? Also, das Lebensalter sollten wir kühn ignorieren. Ich jedenfalls versuch es – jeden Tag aufs Neue.

Veröffentlicht von hedera77

Bin ein echtes Ostseekind, geboren in Rostock an der Warnow und noch heute glücklich - hier in meinem Elternhaus. Seit 15 Jahren bin ich im Ruhestand, der alles andere als ruhig ist. Immer noch bin ich neugierig - im Sinne von wissbegierig - und teile gerne meine Gedanken mit anderen denkfreudigen Menschen, egal welchen Alters.

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